Gedanken- & Spaziergänge im Park: Es wächst die Angst vor Krieg

Wenn es auch kalt ist, es ist herrlicher blauer Himmel und die Sonne wärmt das Herz. Aber es will keine rechte Freude aufkommen, denn sorgenvolle Gedanken lassen mich nicht los. Gedanken an Krieg drängen sich immer wieder auf. Das kommt durch die ständigen Nachrichten aus dem Nahen Osten oder dem vorderen Orient, wie man es wohl früher bezeichnete. Die Nachrichten sind verwirrend und widersprüchlich – es ist schwer, sich ein klares Bild zu machen. In den letzten Tagen wurde wieder ein Vorort von Damaskus erwähnt: Ost-Ghouta. Beherrscht von den Rebellen, wird es von syrischen Truppen beschossen und von russischen Flugzeugen bombardiert. Die Klage im Fernsehen geht gegen diese „Täter“. Vielleicht nicht unberechtigt. Aber ist die eigentliche Ursache nicht auch bei den Rebellen zu suchen, die diesen Ort nicht aufgeben? Als die zu Festungen erklärten Städte im zweiten Weltkrieg wie z. B. Breslau oder Berlin von der Roten Armee beschossen und schließlich erobert wurden und es zu großen Opfern und Entbehrungen unter der Bevölkerung kam, war das die Schuld der Roten Armee oder ist sie nicht vielmehr bei den Befehlshabern zu suchen, die offene Städte zu Festungen erklärten und bis zum letzten Blutstropfen verteidigen wollten? Diese waren doch verantwortungslos gegenüber der Zivilbevölkerung.

Eine von der UNO empfohlene Feuerpause würde den Rebellen nutzen, um sich verstärkt neu zu bewaffnen und das Elend zu verlängern. Würden die Rebellen abziehen, dann wäre manches Menschenleben gerettet. Da nur über Ost-Ghouta berichtet wird, geht die türkische Aggression gegenüber den Kurden im Norden Syriens fast völlig unter. Ist das plötzlich eine Nebensache? Die Kurden, die mit deutscher Unterstützung erfolgreich gegen die islamistische Diktatur kämpften. Haben wir das vergessen? Es liegt nicht so in unserem Blickfeld, aber das kurdische Volk kämpft seit fast 100 Jahren oder länger um seine Selbstständigkeit und keiner kümmert sich darum. Eine historische Ursache dafür ist das Sykes-Picot-Abkommen von 1916, durch das Frankreich und Großbritannien beschlossen, wie das riesige osmanische Reich zerschlagen und in Interessensphären zwischen den beiden Mächten aufgeteilt werden sollte. Fast mit dem Lineal wurden Grenzen für halbkoloniale neue „Staaten“ – eigentlich Protektorate – gezogen, die auf gewachsene Volksgruppen keine oder nur wenig Rücksicht nahmen. Die über 50 Millionen große kurdische Volksgruppe wurde dabei völlig übersehen und lebt heute in den Staaten Türkei, Syrien, Irak und Iran.

Nebenbei ist vielleicht ebenso interessant, dass die kurdische Sprache zur indoeuropäischen Sprachgruppe gehört und nicht zum türkischen oder arabischen Sprachraum. Aber keiner dieser Staaten hatte den Kurden je eine gewisse Autonomie oder völlige Selbstständigkeit gewährt. Und so ergreift Erdogan in diesem kriegerischen Durcheinander, wo anscheinend jeder gegen jeden kämpft, die Gelegenheit, die Kurden in Syrien entscheidend zu schwächen, nachdem er sie in der Türkei schon bekämpft und unterdrückt hat. Merkt man nicht, dass Erdogan damit die Islamisten des IS unterstützt? Allerdings kann das kaum verwundern, denn Erdogan entstammt ja selbst der islamistischen Szene. Bekanntlich bekam er 1999 eine Gefängnisstrafe wegen der leitenden Zugehörigkeit zu einer Partei, die für den Dschihad und die Scharia eintrat. Da diese Partei und deren Nachfolger verboten wurden, folgten mehrere Neugründungen ähnlichen Inhalts bis hin zur AKP. Spätestens bei seiner Wahl zum Präsidenten hätte man wissen können, dass die Türkei auf dem Wege zu einer islamistischen präsidialen Diktatur ist. Seine prompte und radikale Reaktion auf den „Putsch“ im letzten Jahr zeigte, dass ihm dieser Putsch (es gab wohl kaum einen so schlecht vorbereiteten und durchgeführten wie diesen) mindes-tens ebenso willkommen war, wie Hitler der Reichstagsbrand. Jetzt konnte er brutal mit Notstandsgesetzen durchgreifen. Die Stärke der Türkei und die Rücksichtnahme auf sie resultiert noch aus der Zeit des kalten Krieges, als sie die Südostflanke der NATO abdeckte. Das Schlimme an der gesamten unübersichtlichen Situation ist jedoch, dass die Großmächte Russland und USA, wie auch Staaten der NATO an diesen Kämpfen beteiligt sind. Das ist eine hochexplosive Gemengelage, die manche als einen Stellvertreterkrieg ansehen, der sich jederzeit auf andere Teile der Welt ausweiten könnte. Dazu kommt noch, dass Staaten wie der Iran, Israel und Saudi-Arabien diverse Interessen in diesem Krieg haben und unterschiedliche Gruppen direkt oder indirekt unterstützen bzw. bekämpfen. Gegen dieses schon seit Jahren andauernde Gemetzel war der Spanienkrieg 1936 geradezu ein lokales Ereignis.

Man kann vieles gegen Assad und schon gegen seinen Vater vorbringen. In Syrien herrscht seit langem eine Diktatur. Der syrische Schriftsteller Rafik Schami schreibt in seinen großartigen Romanen manchmal darüber. Das Problem ist nur, dass es in keinem dieser Staaten, wenn wir einmal von Israel absehen, eine Demokratie im europäischen Sinne gibt. Von den 56 Staaten der Organisation islamischer Zusammenarbeit (OIC) gibt es nur einzelne, die unseren Demokratien ähneln, bei den 22 Staaten der Arabischen Liga ist keiner dabei. Diese Staaten werden von Königen, Kalifen, Religionsoberhäuptern, Diktatoren oder allmächtigen Präsidenten regiert. Es sind alles patriarchalische Gesellschaftssysteme, in denen Großfamilien bzw. Familienclans, ja sogar noch Stammeszugehörigkeiten das gesellschaftliche Normen- und Wertesystem bestimmen. 45 dieser Staaten haben eine von der UNO abweichende Deklaration der Menschenrechte aufgestellt, nämlich die Kairoer Erklärung der Menschenrechte von 1990, in der die Scharia als alleinige Grundlage für die Menschenrechte festgelegt ist.
Die Unterschiede zu Staaten Europas oder Amerikas sind fundamental, was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass es im Gegensatz zu Europa in keinem islamischen Staat je eine Renaissance, eine Reformation, eine Aufklärung oder eine bürgerliche Revolution gegeben hat. Deshalb war es vermutlich einer der größten Fehler, vor allem der amerikanischen Außenpolitik, mit kriegerischer Gewalt im Irak, in Libyen oder durch Unterstützung von Rebellengruppen in Syrien eine Art von Demokratie nach amerikanischem oder europäischem Vorbild implantieren zu wollen. Das ist bei allen dieser Versuche auf die schlimmste Art und Weise misslungen. Das Köpfen der Diktaturen ließ keine Demokratien entstehen, sondern hinterließ lediglich ein Vakuum. In dieses Vakuum stießen radikale, islamistische und islamofaschistische Gruppen vor und besetzten den nun leeren Herrschaftsraum. Das Fehlen der starken und brutalen diktatorischen Hand führte dazu, dass nun verschiedene religiöse und ethnische Gruppen ihre Rivalitäten mit Waffengewalt austragen, woran sie vorher durch eine allmächtige Partei und einen Diktator gehindert wurden: Der mächtige Feind „oben“ ließ die Rivalitäten „unten“ nichtig erscheinen. Wir hatten in Europa bei dem Zerfall Jugoslawiens ein ähnliches Beispiel: Unter der starken Faust der Diktatur gab es – scheinbar – keine ethnischen und religiösen Rivalitäten, die danach das Bild des zerfallenden Jugoslawien prägten und teilweise auch heute noch prägen.

Vielleicht klingt es brutal, aber ich glaube, dass die Staaten im Nahen Osten ihre Probleme nur selber friedlich oder auch mit Gewalt lösen müssen. Jedes Eingreifen Russlands, Amerikas oder der europäischen Staaten kann die Situation nur verschlimmern. Bisher hat sich jedenfalls gezeigt, dass die Eingriffe von außen immer misslangen und nie den eigentlich angestrebten Frieden brachten. Im Gegenteil, es wurde alles schlimmer als vorher. Die Gefahr der Konfrontation der Großmächte und der NATO wächst von Woche zu Woche.  Und damit die Gefahr der Ausweitung der Kämpfe über den Nahen Osten hinaus. Und dann?

Unsere Bundeswehr kann uns nicht schützen! Unter dem Oberkommando von Frau von der Leyen sind bei der mobilen Einsatzgruppe nur noch ein Drittel der Panzer einsatzfähig, nur die Hälfte der Schützenpanzerwagen, von vier U-Booten keines und Hubschrauberpiloten der Bundeswehr üben beim ADAC! Neuerdings wurde bekannt, dass ein Jagdbombergeschwader nur eingeschränkt einsatzfähig ist, da Biozusätze beim Kerosin die Triebwerke schädigten. Auch bei der einfachen Ausrüstung der Soldaten fehlt es oder sie ist defekt. Aber unsere Ministerin hat auch Wichtigeres zu tun: Da müssen Kasernen danach durchforstet werden, ob irgendwelche Weltkriegsreliquien dort in Schaukästen oder auf den Stuben vorhanden sind. Das ist doch nur Theaterdonner! Ein Wehrmachtsstahlhelm lässt ebenso wenig auf eine nazistische Gesinnung schließen, wie man dem Besitzer einer Pickelhaube Kaisertreue vorwerfen könnte! Wichtig für sie ist es außerdem, sich um Umstandsuniformen für schwangere Soldatinnen und Tagesmütter zu kümmern, als um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann sie geschlechtsneutrale Toiletten für die Kasernen fordert. Nein, von dort her ist weder Schutz noch Sicherheit zu erwarten. Es bleibt nur die Hoffnung. Die stirbt bekanntlich zuletzt. Nach uns.

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