Ist der Ruf erst ruiniert, schläft’s …

Schlafen Sie auch so schlecht? Wenn sie tief und fest schlummern sollten, sind Sie bestimmt nicht aus Sachsen-Anhalt. Hierzulande ist das Schlechtschlafen quasi eine landestypische Tradition. Schon 2005 erklärte uns der damalige Landesvater Wolfgang Böhmer, dass es sich bei Sachsen-Anhalt um das „Land der Frühaufsteher“ handele. Das wurde gar in einer großen Kampagne jedem Durchreisenden auf Schildern an der Landesgrenze eingebleut. Und dies sollte signalisieren, dass zwischen Salzwedel und Zeitz besonders fleißige Menschen lebten, die früher als andere Bundesbürger an ihr Tagwerk gingen. Die ewigen Skeptiker hatten wenig Glaubwürdigkeit für hiesige Frühaufsteherwerte übrig und dachten eher an präsenile Bettflucht. Gott sei Dank wissen wir nun aus einer jüngs-ten Umfrage der Barmer Krankenkasse, dass Sachsen-Anhalter im Bundesdurchschnitt mit ihrem Schlaf gar nicht zufrieden sind Im Bundesländervergleich belegt das Land den letzten Platz. Die Barmer-Experten wissen natürlich sofort, was für die miesen Nächte verantwortlich ist: z. B. das Smartphone. „Ein Drittel der Menschen, die elektronische Geräte permanent im Schlafzimmer haben, bleiben häufig oder immer länger auf als beabsichtigt“, heißt es in der Mitteilung der Barmer. Für Sachsen-Anhalt mit seinen vielen Funklöchern und schlechter Flächenversorgung mit schnellem Internet ist das eine mutige Schlussfolgerung. 2005 gab es noch keine Smartphones. Möglicherweise wälzten wir uns da auch häufig unruhig im Bett herum und standen deshalb früher auf. Es ist halt so eine Sache mit den Erklärungen statistischer Phänomene. Im Übrigen belegen die Sachsen mit ihrem Schlaf im Bundesvergleich den ersten Platz. Als Interpretationsgrund könnte man darauf eine alte Redewendung anpassen: Ist der Ruf erst ruiniert, schläft’s sich gänzlich ungeniert. Weil die Sachsen seit Pegida und jüngst in Chemnitz im Bild deutscher Medien ein fürchterliches Verhalten an den Tag legten,  fallen sie nachts offenbar ausgesprochen gut in den Tiefschlaf. Da sollte man sich in Sachsen-Anhalt mal ein gutes Scheibchen abschneiden. Schließlich genießt das Land bei vielen wirtschaftlichen Kennziffern keinen besonders guten Ruf. Leider schlägt sich das nicht wie bei den Sachsen in ruhigen Nächten nieder. Ergo darf man die einstige Frühaufsteherstatistik damit deuten, dass viele einfach gar nicht ausgeschlafen waren. Mehr ausgeschlafene Menschen in Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft für Ideen, Innovationen und Engagement könnten wir dringend gebrauchen. Dann würden sicher viele andere nachts auch besser schlafen. Ich auf jeden Fall. Man darf ja wohl noch träumen – wenn’s wegen des schlechten Schlafs auch nur Tagträume sind. Thomas Wischnewski

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