Wie schnell werden Ideen wahr?

Diese vor 100 Jahren abgedruckte Anzeige lässt erahnen, dass Einzelhändler schon damals mit überregionaler Konkurrenz leben mussten. Zog einst die Reichshauptstadt Kaufkraft ab, ist es heute die Onlinewelt, den eine wachsende Anzahl Kunden bindet.

Ideen sind gefragt. Die schöne bunte Onlinewelt fesselt zunehmend Kunden. Man klickt sich durch Suchmaschinen und Internetshops und bestellt bequem von Zuhause aus. Das spare Zeit und Geld, heißen wichtige Argumente für das Einkaufen am Bildschirm. Das Internet ist die technische Revolution unserer Zeit. Der stationäre Einzelhandel gerät in wirtschaftliche Schieflagen. Es wird am Ende nicht weniger eingekauft, sondern nur irgendwo anders. Warenströme und Logistik sind dabei kaum nachvollziehbar. Aber eines ist sicher. Die Zeit am Bildschirm verändert die Wirklichkeit und damit die bekannte Urbanität von Städten.

Während größere Einzelhändler als Filialanbieter oft noch gute Geschäfte machen, geht kleinen, inhabergeführten Fachgeschäften unter der Konkurrenz aus dem Netz die Luft aus. An ihnen geht die Konsumstimmung in Deutschland und manche Kauflust der Menschen aus Magdeburg und Umgebung vorbei. Die Prognose des Handelsverbandes Deutschland zeichnet eine düstere Zukunft: 50.000 Läden könnten nach seiner Schätzung bis 2022 verschwinden.

Kleinere Fachhändler können kaum ein konkurrenzfähiges Online-Angebot mit modernem Warenwirtschaftssystem unterhalten. Die häufigste Konsequenz ist die Schließung. Dabei sind diese inhabergeführten Einzelhändler das Salz in der Suppe einer florierenden Einkaufsstadt, meint der Sprecher der IG Innenstadt, Arno Frommhagen. Kunden beim Besuch mit einem Glas Sekt zu empfangen, reicht als Verlockung nicht mehr aus. Das setzen Konsumenten längst voraus und würden noch mehr individuellen Service erwarten. Magdeburgs Handelsflächen buhlen um Kundenströme – egal ob die Halberstädter Straße, Buckau, Neustadt, Stadtfeld oder die City. Systemanbieter erweitern ständig ihre Warenangebote. So finden Kunden neben Milch, Brot und Butter beim Lebensmittelhändler und Discounter Bohrmaschinen, Büromaterial, Gartenwerkzeug, Bekleidung, mitunter sogar Autos. Für Arno Frommhagens Aussage ist die weitere Ausdehnung und Konzentration von Handelsflächen wie auf dem Schlachthof-Areal für die Attraktivität der Innenstadt ein Dorn im Auge. Die geplante Neuansiedlung weiterer Systemanbieter schwächt die ohnehin lückenhafte Einzelhandelsstruktur. Seiner Meinung nach sei die Stärkung der Infrastruktur in den Stadtteilen nötig. Ein Kiez mit kleinen Geschäften und Gastronomien könne ein lebenswertes Wohnumfeld gewährleisten.

In der Stadt machen sich viele Köpfe Gedanken, wie Stadtzentren und Innenstadt anziehender gestaltet werden können. Im Wirtschaftsdezernat des Beigeordneten Rainer Nitsche wurde der „Maßnahmeplan Stärkung Handel in Innenstadt und Stadtteilzentren“ erarbeitet. Mit Marketingkampagnen sollen Menschen aus einem größeren Umfeld bis Niedersachsen in die Landeshauptstadt gelockt werden, insbesondere für die bevorstehende Adventszeit. Kürzlich trafen sich die Arbeitsgruppen aus allen Teilen der Stadt, um sich über den Stand der Umsetzung auszutauschen. Sowohl die Universität als auch die Hochschule wollen dabei helfen, Bedingungen, Anforderungen sowie Wünsche von Kunden, Gewerbetreibenden und Kulturschaffenden zu untersuchen, um daraus Konzepte abzuleiten.

Eine bereits in der Umsetzung befindliche Idee ist ein künftiges Beleuchtungskonzept. Mit dem Start des diesjährigen Weihnachtsmarktes sollen Straßen und Plätze mit LED-Ketten geschmückt werden. Der Stadtrat soll in Kürze über die nötigen Mittel entscheiden. In Arbeit ist auch ein Gestaltungskonzept für den Alten Markt. Allerdings befindet sich das noch im Ausschreibungsverfahren. Laut Rainer Nitsche ist denkbar, dass beispielsweise bessere Bedingungen für gastronomische Angebote mitten auf dem Platz geschaffen werden könnten. Auch das Team für die Kulturhauptstadtbewerbung wartet bereits mit Impulsen auf. Man könnte vom Elberadweg einen Festungsradweg mit touristischem Wegeleitsystem abzweigen, um mehr Zweiradgäste durch Magdeburg zu führen. Der Wochenmarkt soll qualifiziert werden und mehr saisonale Anziehungen mit Spargel-, Kürbisfesten oder Kochduellen erhalten. Positiv flankiert werden solche Ideen natürlich durch die bauliche Verdichtung der Innenstadt. Das neue Domviertel zeigt sich bereits im Rohbau, die Städtischen Werke kommen mit ihrem Neubau an der Kreuzung Breiter Weg / Ecke Ernst-Reuter-Allee langsam aus der Baugrube. Weitere Projekte warten. Die Dauerbaustelle für den neuen Tunnel am Bahnhof wirkt indes weiter kontrapoduktiv an einer Belebung innerstädtischer Betriebsamkeit.

Künftig setzen viele Akteure auf das Schlagwort Kulturtourismus. So auch IG-Innenstadt-Sprecher Arno Frommhagen. Feste wie die „Fête de la Musique“, der Weihnachtsmarkt oder das Rathausfest erzielen Langzeitwirkung. Viele kleine Bausteine, wie die Errichtung des Ulrichsportals am Ulrichplatz oder die Ansiedlung des Circusmuseums in der City, können Bestehendes ergänzen. Die Eröffnung des Dommuseums am 4. November ist da schon ein Meilenstein. Auch die Errichtung eines Panometers – eine 360-Grad-Ansicht als virtuelle Dauerausstellung zur städtischen Geschichte – könnte eine touristische Magnetwirkung erzielen. Andere Städten haben da einiges vorgemacht. Der Zuwachs an Busreise-Touristen vervierfachte sich in den vergangenen zwei Jahren. Und ein Anstieg an Übernachtungen deutet auf ein gewachsenes Interesse an Magdeburg hin. Die Verzahnung von Handel, modernen Hotels und ansprechenden Restaurants belebt die Stadt, macht sie für Bewohner und Besucher attraktiver. Frommhagen möchte vor allem einen Wir-Gedanken stärken, um einem Magdeburger Pessimismus Paroli zu bieten. Jeder sollte sich dabei ein wenig selbst an die Nase fassen und auf Entstehendes schauen.

Es mangelt nicht an Ideen in und für eine lebendige Stadt. Ein anderes Phänomen ist extrem wirkmächtig: Eine Stadt umzubauen, neue Anziehungen und Angebote zu schaffen, dauert seine Zeit. Inzwischen hat sich die Onlinewelt mit neuen Faszinationen noch schneller weitergedreht als die Wirklichkeit mithalten könnte. Ronald Floum und Thomas Wischnewski

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