Das Gute-Laune-Geheimnis von „Boos Glühweintheke“

Waltraud und Gunther Boos. Foto: Peter Gercke

Zum Besuch auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt gehört für viele ein Abstecher bei „Boos Glühweintheke“ dazu. Hier kehrt man zum Aufwärmen mit einem heißen Getränk ein, trifft sich mit Freunden, Bekannten und Kollegen, genießt die gute Laune der anderen Gäste und begegnet hinter dem Tresen seit vielen Jahren einer Frau am Ausschank. Waltraud Boos steht hier fünf Wochen lang für die Dauer des Weihnachtsmarktes ihren Mann. Sie bedient ihre Gäste stets mit einem Lächeln, aber immer auch mit einer gewissen Bescheidenheit und zurückhaltenden Art. Stammgäste wissen, dass sie neben ihrem Mann Gunther die Chefin ist, andere sehen nur die freundliche Bedienung und haben keine Ahnung davon, welchen Einsatz sich die 67-Jährige zum Ausklang des Jahres abverlangt.

Als Waldtraud Boos 1950 in Tucheim bei Genthin geboren wurde, zeichnete sich bei ihr ein der damaligen Zeit entsprechender Werdegang ab. Das Abitur blieb ihr trotz guter Noten verwehrt, weil der Vater selbstständiger Tischler war. Über die Berufsausbildung zur Maschinistin für Walzwerkaggregate in Brandenburg holte sie den höheren Bildungsweg dennoch nach. Studierte anschließend an der Magdeburger Technischen Hochschule Maschinenbau und lernte dabei ihren Ehemann Gunther Boos kennen. Während des Studiums kam Sohn Hendrik zur Welt und deshalb wurde auch geheiratet. In einem Ingenieursbüro und als Arbeitsschutzinspektorin war Waltraud Boos tätig. Als der zweite Sohn Stefan vier Jahre alt war, drängte es Gunther Boos zurück zu den Familienwurzeln, nämlich in den Schaustellerberuf. Der Ehemann war nun oft unterwegs. Um dennoch den Zusammenhalt der Familie zu leben, stieg Waltraud in das Schaustellerleben mit ein. „Ich musste mich erst daran gewöhnen 80 bis 100 Tage zwischen Altmark und Sachsen unterwegs zu sein“, sagt sie heute. Das Leben findet nun oft im Wohnwagen zwischen Auf- und Abbau, Warenbeschaffung und Transport der Fahrgeschäfte, bei jedem Wetter, an Sonn- und Feiertagen statt.

Zur Schaustellerei gehören schwere Tage, vor allem wenn es kalt ist und regnet, wenn Technik und Material auf aufgeweichten Böden bewegt werden müssen oder wenn Strom und Wasser schon abgeklemmt sind, Licht und Waschmöglichkeiten beim Abbau fehlen. Waltraud Boos kann für sich aber auch schöne Seiten benennen. Die Umsetzung eigener Ideen, die freie Zeiteinteilung zwischen den Volksfesten und dass man als Selbstständige niemanden fragen muss, wie man sein Geschäft führt – das sind für sie echte Vorteilspunkte.

Selbst wenn während des Weihnachtsmarktes der Arbeitstag um 8 Uhr beginnt und erst zwischen 23 und 24 Uhr ein Ende findet, hat der Saisonabschluss dennoch sein Gutes. Nach Jahrzehnten kennt man viele Gäste an der Glühweintheke. Mit einigen tauscht man Erlebnisse und Erfahrungen aus. Lachen und Spaß bleiben dabei nicht aus. Menschenkenntnis reift durch den vielen Kontakt mit anderen. Vielleicht kann Waltraud Boos deshalb mit mancher Beschwernis gelassener umgehen, Gästen mit ernsten Mienen dennoch mit einem Lächeln entgegentreten. Dass erst am Heiligen Abend Gelegenheit ist, den Weihnachtsbaum zu schmü-cken und alle Festvorbereitungen zu leisten, daran hat sie sich gewöhnt. Am 1. Weihnachtsfeiertag kommt die Familie zusammen. Die Söhne Hendrik und Stefan mit ihren Partnerinnen und Enkeln sind da und die 91-jährige Mutter. Die Boos-Söhne leben das väterliche Geschäft weiter und bringen es sogar bis zum Weihnachtsmarkt nach Wroclaw (ehemals Breslau). Dass die Ideen und das familiäre Engagement weitergetragen werden, darauf ist Waltraud Boos stolz. Am 2. Weihnachtsfeiertag, wenn zahlreiche Festtagsgenießer wieder über den Alten Markt bummeln, steht Frau Boos längst wieder hinter der Theke.

Schausteller zu sein ist, keine Langeweile zu kennen und niemals Einsamkeit. Wahrscheinlich muss man dort Gründe suchen, warum ein hoher Zeiteinsatz, häufige Dauerbelastungen und die körperliche Anstrengungen bei Waltraud Boos am Ausschank der Glühweintheke nie spürbar werden. Möglicherweise auch deshalb, weil hier stets eine familiäre Atmosphäre herrscht, eine, die Waltraud Boos mit initiiert. So kocht sie schon mal für die gesamte Mannschaft, die an der Theke oder den Fahr- und Automatengeschäften Dienst tut. Und wo so viel Energie und positive Grundstimmung herrscht, werden sicher andere angesteckt. Das könnte ein tieferes Geheimnis für die Anziehungskraft der Boosschen Glühweintheke sein und für die gute Laune, mit der sich die zahlreichen Gäste hier anstecken lassen. Thomas Wischnewski

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