Hengstmanns andere Seite: Im Briefkasten brennt noch Licht

Immer dann, wenn ich, in welchem Zusammenhang auch immer, das Wort „Bank“ akustisch oder visuell wahrnehme, dann fällt mir sofort eine Zeichnung von „Olle“-Pinsel-Heinrich-Zille ein. Auf dieser sehr gelungenen Karikatur sieht man eine alte Frau in zerschlissenen Kleidern.

In beiden Armen hält sie einen halbleeren Einkaufskorb mit Gemüse und Obst. Nicht mehr ganz frisch. Eher kurz vor dem Stadium des Verdorbenseins. Fleischliche Einkaufsprodukte sind in diesem geflochtenen Bastkorb nicht zu sehen. Das scheint aber nicht am Vegetariertum der alten Dame zu liegen. Sicher mehr am mangelnden Geld, um Fleisch käuflich zu erwerben. Diese alte Frau sitzt in dieser Karikatur von Heinrich Zille auf einer Parkbank und obwohl es nur eine Zeichnung von Zille ist, hört man die alte Dame vor Anstrengung schnaufen. Also verschnaufen.

Die Bildunterschrift dieser Karikatur ist fast philosophischer Natur. Sie lautet: (gesprochen im Berliner Dialekt) „Ick sitze hier uff diese Bank! Damit mein Oller ooch ma was uff die Bank hat! Nämlich mir!“ Was wollte uns Zille anfangs des 20. Jahrhunderts damit sagen? Es gab um diese Zeit nicht nur in Berlin viele arme Menschen, die kein Konto hatten. Keine Bank. Eben nur die Parkbank. Und heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es zwar auch noch Parkbänke, sogar Hightech. Dann kann man beim Verweilen beispielsweise sein Smartfon mit frischem Strom versorgen oder Dank kostenlosem WLAN auch im Internet surfen. Und wenn niemand neben einem sitzt, sogar Online-Banking tätigen. Mittlerweile gibt es aber eben auch Parkbanken. Da kann man einen Parkbankschein lösen, der wie bei einem normalen Parkschein nur Zahlen kennt und keine Namen und man kann dann sein Geld dort parken. Und keine Politesse oder Politeur kommt Ihnen beim Falschparken auf die Schliche und verpasst Ihnen einen pekuniären „Liebesbrief“ hinter dem Scheibenwischer. Doch die Bankparkplätze sind weit weg vom Parkenden.

In Deutschland gibt es nur wenige Bankparkplätze. Da muss man schon in Fahrtkosten investieren, um sein Geld sicher zu parken. Aber auch in der „neutralen“ Schweiz oder in Liechtenstein oder auch in Luxemburg oder gar in Panama sind die Briefkästen und die Geldparkplätze knapp. Zu viele „Kamele“ drängen in die sogenannten „Steueroasen“, um ihre dürstende Geldgier zu befriedigen.

Nur wie ist es zu erklären, dass gerade unsere Vorbilder die Leistungsträger in Deutschland, so weite Reisen auf sich nehmen? Der Sinnspruch oder das Sprichwort: „Ehrlich währt am längsten“ muss man, so glaube ich, etwas modifizieren in: „Ehrlich grämt sich am längsten!“ So oder ähnlich müssen vor noch nicht langer Zeit Alice Schwarzer oder Ulli Hoeneß beim Studium ihrer Kontoauszüge und Anlagepapiere gedacht haben. Was? Soviel Geld an Steuern wollen dieser gierige Staat und die Knechte vom Finanzamt von mir haben! Unverschämtheit! Die haben doch schon soviel von mir kassiert. Neee! Da fahre ich doch lieber in die Schweiz und zahle mein sauer erspekuliertes Geld da ein.

Nun bei Ulli Hoeneß hatte die Verkettung unlauterer Gedankengänge umzugstechnische Konsequenzen. 13 Monate musste der „arme Ulli“ seine Villa mit einer schlichten Einraumwohnung in Landsberg am Lech tauschen. Gestützt von anwaltlichem Rat wollte Hoeneß diese Umquartierung verhindern. Das Zauberwort damals und wahrscheinlich heute noch hieß: Selbstanzeige. Das heißt: Schaut einmal, ich bin gar nicht so böse! Viele „Steuer-Flüchtlinge“ in Deutschland haben sich auf diese Art und Weise freigekauft und dem Fiskus in Deutschland mehrstellige Miliardensummen eingebracht. Tja! Viel Geld viel Ehr’! Viel Geld viel Wehr’!

Aber Moment bitte! Solche Praktiken gab es schon einmal in der deutschen Geschichte. Nur damals hieß es nicht Steuerflucht, sondern Ablasshandel. Als vor 500 und einem Jahr Martin Luther seine Thesen wider dem Ablasshandel an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg nagelte, war das vielleicht bereits die Initialzündung für die heutige Steuerfluchtsucht? Herzlichst, Ihr Frank Hengstmann

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