Gedanken- & Spaziergänge im Park: Ernten und dreschen

Staubig war es, wenn man in den letzten Wochen über das Land fuhr. Mähdrescher brachten die Getreideernte ein, die in diesem Jahr wohl recht spärlich ausfällt. Ganz anders ist das aber bei Politikern und diversen Zeitungen. Hier wird das ganze Jahr über fleißig Stroh gedroschen, Phrasen dreschen nennt man es umgangssprachlich. Da machen auch die ganz Großen mit, ja vielleicht sind sie sogar die wahren Meister darin. Denken wir doch nur an diese Parolen „yes, we can“ von Obama oder das „wir schaffen das“ von Frau Merkel. Eigentlich nahezu inhaltsleere Sätze, die aber damals Begeisterungsstürme hervorriefen. Ebenso nutzlos wie die neue Diskussion, die unser Finanzminister Scholz angestoßen hat, in dem er forderte, dass der Rentensatz bis zum Jahr 2040 gleich bleiben müsse. Sicher eine ehrenwerte Idee - aber sie würde erfordern, dass Politiker ganze 22 Jahre im Voraus planen könnten, wie die wirtschaftliche und finanzielle Situation dieses Landes würde. Ich glaube, sie wären in Wirklichkeit froh, wenn sie in Wahrheit eine politische und wirtschaftliche Sicherheit wenigstens für die nächsten ein bis zwei Jahre hätten. So wird nur mit viel Worten und Auseinandersetzungen eine Diskussion angestoßen, ohne dass etwas Reales dabei herauskommen könnte. Ja, wenn er vorgeschlagen hätte, aus Ersparnisgründen die Zahl der 709 Abgeordneten des Bundestages um die Hälfte oder um wenigstens ein Drittel zu verringern (zum Vergleich: das große Europaparlament hat dagegen „nur“ 751 Abgeordnete), dann hätte er bestimmt Beifall bekommen. Es wäre auch erfreulich gewesen, wenn er zur Stabilisierung der Rentenkassen vorgeschlagen hätte, dass auch die Abgeordneten für ihre Altersrente bzw. Pensionen einen entsprechenden Beitrag, wie andere Werktätige auch, leisten sollten anstatt davon freigestellt zu sein. Das wäre kein leeres Stroh gewesen, allerdings wäre dieser Vorschlag im Bundestag wohl kaum durchgekommen. Denn wie sagt man so schön: man darf die Frösche nicht fragen, wenn man einen Sumpf trockenlegen will.

Eine andere Phrase kam von Frau Karin Göring-Eckardt: da die aus Afrika kommenden Asylsuchenden zumeist keine Kriegsflüchtlinge sind, erfand sie den schönen Begriff des „Klimaflüchtlings“. Was für ein Unsinn! Als ob man dem Klima entfliehen könnte. Wenn man das möchte, dann müsste man mindestens bis zum Mond oder in den freien Weltraum flüchten. Dort ist man dann ohne Klima. Aber sie war schon manchmal für Heiterkeit oder Kopfschütteln erzeugende Sentenzen gut. So rief sie 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise erfreut aus: „wir bekommen jetzt plötzlich Menschen geschenkt!“ Und ich dachte immer, dass man Menschen nur in einer Sklavenhaltergesellschaft verschenken könnte. Unvergessen auch ihr kabarettreifer Ausspruch auf dem Grünen Parteitag im November 2017 „wir wollen, dass in den nächsten vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“ Der heilige Franziskus, der ja auch zu den Tieren gepredigt haben soll, lässt grüßen. Mich würde wirklich interessieren, ob das bei den Insekten und Vögeln auch ankam.

Sarah Wagenknecht rief jetzt auf zu einer neuen Bewegung „Aufstehen“. An wen richtet sich diese Aufforderung? An eine Schulklasse, wenn der Lehrer den Raum betritt? Oder vielleicht sogar an Bettlägerige? Dieses Wort hat auch etwas Religiöses an sich. Im Markusevangelium sagt Jesus zu einem Kranken: „Stehe auf, nimm dein Bett und gehe heim!“ Interessant ist aber, dass die Großen der drei Parteien SPD, die Linke und die Grünen, an die sich ja diese Aufforderung richtet, ganz schnell abwinken. Haben sie etwa Angst um ihre Führungspositionen? Meine Sorge wäre eher, dass wieder einmal eine sozialistische Einheitspartei angedacht ist, gewissermaßen eine SED 2.0.

Ein beliebtes Stroh unserer Politiker ist auch, dass dies oder jenes zur Spaltung der Gesellschaft beitragen würde, meistens gegen konservative Kräfte oder Meinungen gerichtet. Als ob eine Gesellschaft, egal welche, jemals ein monolithischer Block gewesen wäre. Eine Gesellschaft ist immer gespalten, nicht nur in zwei oder drei, sondern in viele Gruppierungen. Genau davon lebt jede Demokratie, von der lebendigen Auseinandersetzung verschiedener und rivalisierender Interessen. Selbst Diktaturen wie der Faschismus oder die DDR waren nie ungespalten, wenn die Spaltungen zwischen verschiedenen Gruppen auch verkleistert und verschwiegen wurden. Das Wort Spaltung diskreditiert die unterschiedliche und natürliche Interessenlage und wird als Waffe benutzt, um Andersdenkende mundtot zu machen.

Häufig wird auch von der Spaltung zwischen Arm und Reich geredet. Zumeist von Politikern, die man durchaus zu den Wohlhabenden zählen darf. Als ob es nur diese beiden Gruppierungen gäbe. Es wird absichtsvoll übersehen, dass das ein fließender Übergang mit einer breiten Mittelschicht ist. Unbestritten gibt es in diesem reichen Land Armut. Aber was wirkliche schlimme Armut ist, das ist hierzulande kaum zu erleben. Da muss man schon in die frühere deutsche Geschichte einsteigen. Ich empfehle jedem wieder oder überhaupt einmal das Buch von Hans Fallada „Kleiner Mann, was nun“ zu lesen. Da kann man lesen, was eine perspektivlose Armut bedeutete, wo es kein Wohngeld, kaum Kindergeld, keine großzügige Sozialhilfe und kein für jeden alles ermöglichendes Gesundheitswesen gab. Oder man könnte sich auch einmal die Zeichnungen von Heinrich Zille aus den Berliner Hinterhöfen vor und nach dem Ersten Weltkrieg ansehen. Das war Armut. Ein Vergleich mit heutiger Armut lohnt sich. Zur Spaltung tragen wohl die am meisten bei, die sie lauthals bedauern.

Ein gefährliches Stroh besonderer Art wurde in den öffentlichen Medien und durch Politiker wegen dem Teilnehmer einer Anti-Merkel-Demonstration in Dresden gedroschen. Selbst die Justizministerin Barley stieg fleißig mit, indem sie sagte, dass die Vorgänge in Sachsen „wirklich besorgniserregend“ seien und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden müssten. Ganz nebenbei: der kürzlich erfolgte Mord an einem Offenburger Hausarzt erregte offenbar keine weitere Besorgnis bei ihr, zumindest habe ich nichts dergleichen von ihr irgendwo gelesen oder vernommen. Was war passiert? Ein kleiner Angestellter einer Behörde nahm in seiner Freizeit an einer zugelassenen Demonstration teil, zu der AfD und Pegida aufgerufen hatten. Er verwahrte sich gegenüber Kameraleuten des ZDF, dass er aufgenommen wurde. Warum auch nicht? Das kann ich durchaus verstehen. Bei jedem Verbrecher oder z. B. auch bei dem Personenschützer des Bin Laden wird in der Presse oder im Fernsehen das Gesicht unkenntlich gemacht – hier nicht. Sein Gesicht wurde überall gezeigt. Dass sich die Feststellung der Personalien der Reporter durch die Polizei länger hin gezögert hatte, lag auch an dem Reporter mit dem Mikrofon, der dauernd mit dem Polizisten diskutierte, statt einfach seinen Ausweis zu zeigen. Das war in den Fernsehaufnahmen und im Internet deutlich zu sehen. Aber eigentlich ist das alles kein Grund so viel Wind darum zu machen. Es gibt wirklich viel schlimmere Taten, die uns besorgt machen müssten und die kaum erwähnt werden. Aber hier wird etwas hochgespielt und die Forderungen dieses Mannes als „Pöbeleien“ beschrieben, was sie nicht waren. Er wollte nur nicht gefilmt werden. Das wirklich Schlimme in meinen Augen sind die Folgen für ihn: man macht ihn mies, man fordert seine Entlassung, man stellt ihn öffentlich an den Pranger und es steht zu befürchten, dass seine kleine Existenz vernichtet wird. Wenn man den Anlass dazu betrachtet, kann man nur den Kopf schütteln, wie aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. Ganz nebenbei erhebt sich die Frage, ob das alles so geschehen wäre, wenn dieser Mann aus Dresden an einer Anti-Pegida-Demonstration teilgenommen hätte? Paul F. Gaudi

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