Für die Freiheit im Internet kämpfen dessen Gefangene

Die Freiheit ist bedroht, so schallt es aus den Protesten zum Urheberrecht, das im Europäischen Parlament zur Abstimmung steht. Bloß keine Filter, skandieren tausendfach Demons-tranten am 23. März nicht nur auf deutschen Straßen. Leider marschieren da keine Freiheitskämpfer, sondern Verführte. Sie folgen der Panikmache der mächtigsten IT-Konzerne der Welt. Sie haben sich manipulieren lassen, damit sie ihre Lebenszeit weiter „Google“, „You Tube“, „Facebook“ & Co. schenken. Und sie merken offenbar nicht, dass die Filter und Beeinflussungen längst von ihnen Besitz ergriffen haben. Wikipedia Deutschland sperrte für 24 Stunden den Zugang auf seine Inhalte, um sich als Wahrer des freien Internets zu inszeninieren. Wikipeida setzt schon lange Filter ein, die Änderungen an Beiträgen verhindern bzw. Neueinträge gar nicht erst zulassen, wenn darin bestimmte Schlüsselwörter enthalten sind. Auf Facebook wird sichtbar, wer zahlt. Wie viele historische Kunstwerke wurden dort schon gesperrt und wie viele Mitglieder, weil sie gegen die Konzernrichtlinien verstoßen hatten. Die große Selektion ist längst im Gange. Und sie wird von den Konzern-Vorgaben aus den USA gesteuert. Dafür blechen die einen mit Werbegeldern und die anderen zahlen mit ihrer Lebenszeit.

Digitalisierung und Automatisierung wird traditionelle Arbeitsplätze beseitigen. Gleichzeitig – so lautet die Vision – sollten andere, neue Arbeitsmöglichkeiten entstehen. Was wollen Menschen mit ihrer Lebenszeit dann anfangen? Manche werden sich als Autoren, Musiker, Grafiker und Videokünstler versuchen. Nur würden sie ohne die Möglichkeit, Urheberrechte gegenüber den Plattformen durchsetzen zu können, schön weiter kostenlos Ideen und Können verschleudern. Ihre Rechte an den eigenen Werken müssten sie gegen jeden einzelnen, der diese missbraucht, anmelden. Vielleicht ist es gar nicht möglich, Rechteverletzungen allumfänglich aufzuspüren.

Noch existiert ein EU-Parlament, dass sich dem Diktat der Tech-Riesen – für nichts und wieder nichts in Anspruch genommen werden zu können – entgegenstellt. Freiheit auf Bildschirmen – was soll das sein? Hinterm Glas, hinter den flimmernden Bildpunkten hat sich das Undurchschaubare verschanzt und davor tanzen Leute einen Freiheits-Ringelreigen, in den sie sich haben einsperren lassen. Protestler gegen Urheberrechte sind nicht frei, sondern eher kostenlose Söldner der IT-Mächtigen. Sie erhöhen die Mauern, in die sie sich längst haben einsperren lassen. Nicht, weil man sagen kann, was man sagt, wird man frei, sondern weil man herausfindet, warum man denkt, was man denkt.

Verzagen Sie nicht! Seien Sie nicht wütend! Es gibt einen Ausweg aus der Gefangenschaft. Schauen Sie nicht auf Ihr Smartphone! Lassen Sie sich nicht fortwährend immer mehr von Ihrer kos-tenlosen Lebenszeit abschneiden, indem Sie Inhalte teilen, die gar nicht Ihre sind. Das Internet selbst ist kein Teufel. Es sind jene, die eine private Matrix schaffen, für die sie keine Verantwortung übernehmen. Und wenn denen nicht passt, wie Sie sich verhalten, werden sie ausgesperrt. Und zwar in die Freiheit ohne lenkende Algorithmen. Thomas Wischnewski

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