Liebe braucht keinen Vertrag

Warum sollte ich mit meinen 20 Lebensjahren darüber nachdenken, eine Ehe einzugehen, wenn doch fast 40 Prozent (2017) aller Ehen wieder geschieden werden? Wozu brauche ich einen Rechtsvertrag, der mir nur das bestätigt, was doch eigentlich Gefühle ausdrücken? Das mag pessimistisch klingen, doch meinen Erfahrungen und den Erzählungen anderer nach, ist das für mich eine rationale Sichtweise. Warum sollte ich einem anderen Menschen Hoffnung machen, mit ihm das restliche Leben zu verbringen, wenn ich nicht weiß, ob sich meine Persönlichkeit und die des Partners so verändern, dass uns ein Zusammenleben gegenseitig schadet. Ich verspreche jemandem ewige Treue und eine andauernde emotionale Basis, ohne dass ich dieses Versprechen vielleicht halten könnte. Möglich ist es doch, dass mein Gegenüber nach einem Jahr Ehe sich so verändert hat, dass ich lieber aus der Beziehung fliehe. Ebenso ist es möglich, dass mein Partner nach gewisser Zeit auf die Idee kommt, mich betrügen zu müssen. In solchen Fällen sind Trennungen allein schon schwierig genug, aber mit einer Scheidung kommen noch eine Menge Papierkram, Kosten für Rechtsanwälte, Unterhaltszahlungen oder Gerichtskosten dazu.

Die Möglichkeiten, die jeder heutzutage hat, um jemanden kennenzulernen, sind scheinbar endlos. Facebook, Instagram, Tinder, etc. machen es einfach, neue potenzielle Partner zu finden.

Heutzutage, wenn jeder nur auf sich konzentriert ist, halte ich eine Ehe für unmöglich. Zu einer Ehe gehören immer zwei, die miteinander kommunizieren und umgehen müssen, in guten wie in schlechten Zeiten. Eine Ehe läuft nicht immer wie in den Flitterwochen. Das ist jedem vor der Eheschließung schon bekannt, aber die meisten tun dann überrascht, wenn es in ihrer Ehe passiert. Wenn es geschieht, sehen sie keinen anderen Ausweg als eine Scheidung. Was hat dann der Vertrag, der auf Lebzeiten geschlossen sein sollte, gebracht?

Allein, dass zwei Menschen einen Ehevertrag aufsetzen, stellt meiner Meinung nach sicher, dass die Ehe nicht funktionieren wird. Offensichtlich glaubt mindestens einer von beiden von vornherein nicht, dass sein Schwur für die Ewigkeit hält.

Mir erscheint es heute eher üblich, nicht zu heiraten, sondern nur zu leben, als wäre man verheiratet. Man teilt sich ein Haus, das Bett, die Kosten oder teilt die Konten, redet von der Ewigkeit, aber ohne den Staat oder die Kirche mit einzubeziehen. Geheiratet wird vorrangig wegen der Kinder, um Vaterschaften anzuerkennen, das Erbe zu sichern oder einen einheitlichen Nachnamen zu haben. Doch benötige ich den Familiennamen wirklich, um mich mit jemandem verbunden zu fühlen? Sicher mag eine Hochzeit für manche unglaublich romantisch sein und der Gedanke an eine ewige Bindung schenkt vielleicht ein Gefühl von Sicherheit. Ich fühle mich besser, wenn ich meinem Partner meine Gefühle ehrlich sagen kann, ohne den Zwang eines Vertrages, der mir das vorschreibt. Ich sehe keinen Vorteil in einer klassischen Ehe mehr, einer Ehe aus Liebe. Wenn ich jemanden heirate, dann aus den Vorteilen, die der Staat für verheiratete Paare bereithält. Aber ich benötige keine Urkunde, die mir bestätigt, dass ich mit jemandem verbunden bin, ebenso wenig brauche ich einen Standesamttermin, um meine Liebe zu jemandem zu feiern. Isabel Jagella

Zurück