Hengstmanns andere Seite: Jugend voran! Erlebe dich jetzt!

Ich möchte diese Kolumne mit einem Zitat beginnen: „Die Jugend von heute ist nicht gut. Sie ist vorwiegend faul. Sie ist renitent gegenüber Respektspersonen wie Lehrern und den eigenen Eltern. Die heutige Jugend ist hauptsächlich auf ihren eigenen Vorteil bedacht!“ Zitat Ende. Jetzt die alles entscheidende Frage: Wer hat das und vor allem wann gesagt? Ich befriedige Ihre Neugier: Es war der „olle“ Grieche Sokrates vor etwa 2.500 Jahren.

Nun, was sagt uns das im Hier und Heute. Die Sichtweise der älteren Generationen auf die Jugend hat sich nur marginal verändert. Und noch eines wird es wohl immer geben: Das Schlimmste an der heutigen Jugend ist, wenn man nicht mehr dazu gehört.

Dass es immer mehr zu Reibereien zwischen den Alten und den Jungen kommt, ist ursächlich im Nichtverstehen bei der Kommunikation bedingt. Klar, die heutige Jugend redet irgendwie auch deutsch, aber ganz anders als die Alten. Sie hat eine andere Sprache entwickelt, sodass die Alten argumentativ nicht mehr dazwischen kommen. Wir verstehen einfach nicht, worüber sich junge Menschen unterhalten. Was tun sie wenn sie „liken“, „chillen“, „facebooken“ oder gar „netflixen“? Also ich komme immer seltener dahinter. Die Frage aber ist doch: Was wollen sie mit dieser konspirativen Sprache erreichen? Sollen wir Alten nicht wissen, was die da gerade so vorhaben? Gewöhnungsbedürftig sind auch Beschreibungen von uns Alten. Zum Beispiel kommt da ein älterer Herr mit Vollbart die Straße entlang, dann hört man garantiert folgende stigmatisierende Bemerkung: „Eh! Glotz mal Alter! Da jumt ja Waclav Fellfresse“!

Wenn ich dann so etwas höre, drängt es mich jedes Mal, den Jungen zu raten, einen Blick in den Spiegel zu werfen. Diese Frisuren auf den jungen Schädeln erinnern mich immer an den Turmbau zu Babel. Hoch, höher am höchsten! Positiv an dieser neuen Frisurtechnik ist: Sie kurbeln damit die Wirtschaft an. Die Hersteller von Haargel müssen einen Umsatzzuwachs von mindestens 500 Prozent erwirtschaftet haben. In Abwandlung der schillerschen Glocke möchte ich rezitieren: „Fest gemauert auf dem Kopfe!“ Diese Haare sind so „haart!“ Beobachten Sie mal einen jungen Profifußballer beim Kopfball! Nach dem Kopfball hat sich auf dem Haupt überhaupt kein Haar gekrümmt. Ich glaube, eine Befreiung von der Helmpflicht auf Motor- und Fahrrädern hätte eine gute Chance.

Kommen wir zum nächsten Stigma. Die Körperkriegsbemalung, auch Tattoo genannt! Kein Fleck auf der Haut erinnert noch irgendwie an Haut. Alles schön bunt zerstochen. Das hat wohl sicher den Vorteil, dass die „Ganzkörpertätowierten“ keinen Sonnenbrand mehr kriegen. Aber sie bedenken oft nicht die Folgeschäden, die eintreten könnten. Ich sage nur Gewebeerschlaffung. Wenn sich also so ein junges Mädchen das Konterfei ihres Lovers auf die linke Brust stechen lässt, macht der in 20 Jahren ein ziemlich langes Gesicht.

Noch fragwürdiger aber ist für mein ganz persönlich ästhetisches Gefühl diese körperliche Selbstverstümmelung. Stichwort: Piercing! Überall! In den Ohrläppchen, in der Nase, auf der Zunge. Überall! Wenn die stolzen Besitzer mal zufällig an einem eingeschalteten großen Elektromagneten vorbei gehen, müssen sie aufpassen, dass sie nicht festkleben. Ich weiß, jetzt wird es gelinde gesagt etwas schlüpfrig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Nämlich das Intimpiercing. Da könnte ich mir in meiner Fantasie durchaus vorstellen, dass das Enthakeln nach dem Akt oft länger dauert, als der eigentliche Akt.

Auf diese Smartfonmanie will ich nur kurz eingehen. Darüber wurde schon zuviel kolportiert. Aber eine der lustigsten Begebenheiten mit der Jugend und dem Smartfon erlebte ich eines Nachts an einer dunklen Bushaltestelle. Das saßen vier oder fünf junge Menschen. Da es wie gesagt dunkel war, sah ich keine Körper. Nur helle Gesichter. Denn alle starrten auf ihr Smartfon und schrieben SMS oder   Whatsapp oder was weiß denn ich. Ich hatte den Eindruck, die haben sich nicht unterhalten, sondern sich gegenseitig etwas gepostet.

Ja! So oder ähnlich denken nun mal wir etwas Älteren über die jüngere Generation. Aber sollten wir Ältere uns nicht erinnern. An unsere Jugend? Waren wir nicht auch gegen alle. Etablierte. Schlaghosen, Kofferheule, lange Haare und VOKUHILA! Ich bin nun mittlerweile vierfacher Großvater und habe festgestellt: Wenn man eine Generation überspringt, ist plötzlich ein ganz anderes Verhältnis zwischen Alt und Jung gegeben. Die Affinität zwischen Großeltern und Enkelkindern ist nicht wirklich sozialwissenschaftlich zu erklären, aber trotzdem ist das etwas ganz, ganz Großes! In diesem Sinne: Jugend voran! Erlebe dich jetzt! Denn auch ihr werdet älter. Und das nicht nur im biologischen Sinne. Frank Hengstmann

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